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  1. Zwölfjährige tüfteln an Robotern

Zwölfjährige tüfteln an Robotern

Der Schock auf der Startlinie

Es ist zum Verrücktwerden. Ein halbes Jahr haben Simon, Luca und Konstantin in ihren fahrenden Roboter investiert. Holzplatten gesägt, Kabel gelötet, Kettenräder, Sensoren und Motor angebracht und den „Brick“ programmiert: das Gehirn, das den Wagen autonom fahren und reagieren lässt. Er steht an der Startlinie des Parcours auf einem der Tische im gut besuchten Deutschen Museum in Bonn. Vor sich die schwarze Linie, die er entlangfahren soll. Doch der selbstgebaute Roboter bewegt sich nicht. Der Motor streikt, vermuten die drei Siebtklässler der CJD Christophorusschule Königswinter. Ausgerechnet jetzt.

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Ein Jugendlicher lötet konzentriert an einem Roboter
Löten, schrauben, sägen: Jeder Roboter entsteht in stundenlanger Handarbeit.

„Das ist einfach Pech“, sagt Winfried Schmitz. „In zwei Stunden seid ihr wieder dran, vielleicht findet ihr bis dahin eine Lösung.“ Der Lehrer mit der freundlich-gelassenen Art leitet nicht nur die Robotik-AG an der Christophorusschule. Er hat auch dieses Übungsturnier organisiert, bei dem 40 Schülerteams ihre Roboter in verschiedenen Disziplinen gegeneinander antreten lassen. Noch geht es um nichts. Doch in ein paar Wochen ist ein Qualifikationsturnier für den „RoboCup Junior“, einen Nachwuchswettbewerb für junge Tüftler. Da kann man weit kommen. Ein Team der CJD Christophorusschule Königswinter wurde sogar zweimal Weltmeister, 2008 in Suzhou (China) und 2009 in Graz.

Das Highlight der Woche ist die Robotik-AG

„Das motiviert schon“, sagt der blonde Luca ein paar Tage vor dem Übungsturnier, beim letzten Treffen der AG in der Schule. Mit Simon und Konstantin sitzt er zwischen Computern, Kabeln, Krimskrams – der Raum hat etwas von Daniel Düsentriebs Werkstatt. Luca ist ein ruhiger, fast bedächtiger Junge, der sich Zeit lässt mit den Antworten, ganze Sätze formuliert, die dann auch Hand und Fuß haben. Wenn er zuhört, legt er den Kopf ein wenig schräg und man ahnt, wie seine Gedanken rattern. Sein Zimmer habe er komplett automatisiert, erzählt seine Mutter später lachend. Sich Lösungen ausdenken – das liebt der Dreizehnjährige. Genau wie der quirlige Konstantin, 12, mit den langen braunen Haaren, der in der gleichen Straße wohnt und oft vorbeikommt. Zusammen versinken die beiden in ihrer eigenen Welt, stundenlang. Richtig kennengelernt haben sie sich aber erst, als sie nach der Grundschule zum CJD kamen und sich in der Robotik-AG trafen. Dort stieß auch Simon, 13, zu ihnen: klein, blond, wendig, ein heller Kopf, der sich in der Grundschule oft gelangweilt habe, sagen seine Eltern.

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Drei Jugendliche schauen gebannt in einen Laptop
Programmieren am Donnerstagnachmittag: Für Simon (links), Konstantin und Luca ist die Robotik-AG der Höhepunkt der Woche.

Jeden Donnerstagnachmittag treffen sich die drei zur Robotik-AG. „Das ist das Highlight der Woche“, sagt Luca. Zwei Stunden dauert der Kurs normalerweise, aber sie bleiben oft länger. Weil es spannend und das Equipment eben doch besser als zuhause ist. Winfried Schmitz ist es recht. Er lässt die Jungs viel selbst machen. Auch Fehler. Er greift auch nicht beschwichtigend ein, wenn sie sich in Diskussionen verstricken, was durchaus vorkommt.

Ein bisschen wirken Simon, Luca und Konstantin wie das berühmte Detektivteam „Die drei ???“. Doch bei den drei Jungs aus Königswinter sind die Rollen nicht so klar verteilt. Einig sind sie sich, dass Konstantin der beste Programmierer ist. Heißt aber nicht, dass die anderen sich deshalb raushalten. Noch in der letzten Stunde vor dem Bonner Turnier diskutieren sie heftig, ob Simons letzte Programmierschritte nicht sinnlos gewesen sind. Luca findet das zumindest, er rollt genervt mit den Augen. Simon widerspricht. Doch der Streit eskaliert nicht.

Nur wer mit Frust und Niederlagen umzugehen lernt, kann später erfolgreich werden

„Teamfähigkeit, Umgang mit Frust, Durchhaltevermögen – das lernen die Schüler hier“, sagt Winfried Schmitz. Das werde später im Berufsleben mal genauso wichtig wie das Wissen um technische Zusammenhänge. Viele Ehemalige, erzählt er, studierten erfolgreich Informatik oder Maschinenbau und seien bei Hochschulen und Unternehmen sehr begehrt.

Luca hört seinem Lehrer interessiert zu. Er könne sich vorstellen, mal ein Unternehmen zu gründen, sagt er. Würde sich deshalb gerne bei der AG Unternehmensgründung anmelden, die die Christophorusschule Königswinter ebenfalls anbietet. Als er das erzählt, muss er selbst schmunzeln. Ein Unternehmen gründen – das klingt aus dem Mund eines Dreizehnjährigen ziemlich verwegen. Aber was soll's – Ideen hat er genug. Und da ist er nicht der einzige an seiner Schule.

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Drei Jugendliche auf einem Roboter-Turnier
Enttäuschung am Turniertag: Warum fährt der Roboter nicht?

Die CJD Christophorusschule Königswinter hat einen Hochbegabtenzweig und ist insgesamt für ihr hohes Leistungsniveau bekannt. Die private christliche Schule hat einen guten Ruf, es gibt mehr Anmeldungen als Plätze. „Manche sagen mir: Ihr macht es euch leicht und sucht euch die besten Schüler aus“, sagt Winfried Schmitz. Aber darum gehe es nicht. Viele „leistungsstarke“ Kinder hätten in der Grundschule negative Erfahrungen gemacht, seien abgestempelt worden als Nerds oder Streber. Für sie sei es erleichternd, beim CJD zu merken: Hey, da sind auch andere, die den Dingen gern auf den Grund gehen. Zudem täte es gut, nicht immer sofort die Besten zu sein.

Ein letzter Rettungsversuch

Diese Erfahrung machen an diesem Tag im Deutschen Museum auch Simon, Luca und Konstantin. Aber die Jungs zeigen nach der Pleite mit dem Robotermotor, was in ihnen steckt. In den zwei Stunden, die ihnen bis zur nächsten Übung bleiben, gehen sie sehr effektiv vor. Die drei beraten sich kurz und entscheiden: Sie werden es mit dem Lego-Roboter von Luca probieren. Um ihn zu holen, fahren Luca und Simon mit den Eltern nach Hause. Schon auf der Rückfahrt beginnen sie, ihn zusammenzubauen. Konstantin bleibt derweil im Museum und zerlegt den selbstgebauten Roboter: „Ich schau mir das Stück für Stück an“, sagt er. „Vielleicht kann ich noch was retten.“

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Drei Jugendliche bekommen einen Preis
Teamgeist zählt: Aus Niederlagen lernen die Jungs gemeinsam.

Am Ende reicht die Zeit nicht. Der Lego-Roboter ist zwar fertig gebaut, aber noch nicht richtig programmiert. Er verlässt die Startlinie nicht, macht nur einige halbe Drehungen nach rechts und links. Null Punkte. Lange Gesichter bei den Jungs und ihren Eltern. Bei der Preisverleihung ruft Winfried Schmitz als Moderator alle Teams auf – auch die weniger erfolgreichen. Konstantin hat sich verzogen, Simon und Luca stellen sich der Situation. Tapfer lächelnd. Hilft ja nichts.

Später wird Luca gefragt, ob er sich trotzdem auf das nächste Treffen der Robotik-AG freue. „Ja klar“, antwortet er. „Jetzt erst recht.“ Und man glaubt es ihm sofort.

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