Die Anfänge des CJD
Neuanfang nach der Stunde Null:
Die Gründung und der Aufstieg des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschlands (CJD)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Deutschland von Zerstörung, Hunger, Arbeitslosigkeit und einem allgemeinen Gefühl der Orientierungslosigkeit geprägt. Besonders betroffen waren Kinder und Jugendliche, viele von ihnen heimatlos, entwurzelt oder elternlos. In dieser Situation entschloss sich der Pfarrer Arnold Dannenmann, diesen jungen Menschen eine neue Perspektive zu bieten. Am 25. April 1947 gründete er gemeinsam mit Unterstützern, darunter seine Frau Käthe und weitere enge Wegbegleiter, den Verein „Christliches Wohlfahrtswerk ,Das Jugenddorf‘ – CWJD“, in Anlehnung an den YMCA. Ziel war es, Jugendlichen durch Unterkunft, Bildung und christliche Gemeinschaft einen neuen Lebensweg zu ermöglichen.
Bereits im Gründungsjahr entstand die erste Einrichtung im ehemaligen Kloster Blaubeuren in Baden-Württemberg. Hier fanden obdachlose und teils straffällig gewordene Jugendliche ein neues Zuhause. Aufgrund von Widerständen in der Bevölkerung musste dieses erste Jugenddorf jedoch schon bald geschlossen werden. Ein neuer Standort wurde auf dem Gut Helmscherode bei Bad Gandersheim gefunden, wo erste Werkstätten errichtet wurden. Doch auch dort endete das Projekt nach zwei Jahren. Im Jahr 1949 wurde schließlich in einer ehemaligen Munitionsfabrik in Limmer bei Hannover das erste Jugenddorf mit dauerhaftem Charakter gegründet, das bis zu 60 Jungen aufnehmen konnte.
Im Mai 1949 übernahm Dannenmann das Schloss Kaltenstein in Vaihingen an der Enz als dauerhafte Einrichtung. Unter dem Leitsatz „Leben ohne Liebe – gibt es das überhaupt?“ rief er verwaiste Jugendliche im Stuttgarter Hauptbahnhof dazu auf, mit ihm ins neue Jugenddorf zu kommen. Gemeinsam mit einer Gruppe Jugendlicher machte er sich zu Fuß auf den Weg zum etwa 30 Kilometer entfernten Schloss, das fortan als Lebens- und Lerngemeinschaft diente. Zwei Jahre nach der Gründung lebten bereits 115 Jugendliche in den Jugenddörfern Kaltenstein und Limmer, betreut von 40 Mitarbeitenden in verschiedenen Bereichen. Das Konzept des Jugenddorfs entwickelte sich weiter und beinhaltete nicht nur das Wohnen, sondern auch Bildung, Ausbildung und christliche Gemeinschaft.
Ein bedeutender Schritt war die finanzielle Unterstützung durch den amerikanischen YMCA, der eine Spende der Ford-Stiftung in Höhe von 200.000 D-Mark an das CJD weiterleitete. Diese wurde persönlich von Arnold Dannenmann in Bonn entgegengenommen, im Beisein von Bundeskanzler Konrad Adenauer. Mit diesen Mitteln wurde in Dortmund-Oespel ein weiteres Jugenddorf für 150 Jugendliche errichtet, die in den umliegenden Zechen eine Ausbildung erhielten.
In den 1950er Jahren – geprägt vom wirtschaftlichen Aufschwung – wuchs auch das CJD weiter. Neue Jugenddörfer entstanden insbesondere im Ruhrgebiet, mit Schwerpunkt auf der Ausbildung von Bergbau- und Industriearbeitern. Auch Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone, Aussiedlerkinder aus dem Ostblock und von Fürsorgebehörden zugewiesene Jugendliche fanden hier eine neue Heimat. Mädchen wurden erstmals mit der Eröffnung der Jugenddorf-Christophorusschule in Elze (Niedersachsen) im Jahr 1950 aufgenommen. Diese Schule wurde 1957 als Gymnasium in freier Trägerschaft staatlich anerkannt.
1950 wagte das CJD mit dem Jugenddorf in Los Teques, Venezuela, auch den Schritt ins Ausland. Es diente auswanderungswilligen Jugendlichen aus dem kriegszerstörten Deutschland als Anlaufstelle und bot Ausbildungsplätze in Caracas. Das Projekt lief bis 1961. Im selben Jahrzehnt entstanden zahlreiche weitere Initiativen: 1951 fanden die ersten Jugenddorfmeisterschaften statt, und 1953 erfolgte die Umbenennung in „CJD Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e. V.“. Dannenmann pflegte enge Kontakte zur Politik, traf mehrfach Bundeskanzler Adenauer und setzte sich für die Gründung eines Jugenddorfs für Mädchen ein. Mit dem sozialpädagogischen Institut „Haus Waldfrieden“ (ab 1957) wurden neue Bildungswege beschritten, und der erste Jugenddorfclub gegründet – als Netzwerk für ehemalige Teilnehmer.
Ein besonderes Jugenddorf entstand im rheinland-pfälzischen Limburgerhof, das bis zu 600 Jugendliche aufnehmen konnte – vor allem Auszubildende des Chemiekonzerns BASF. Hier entstand auch ein Jugendzentrum für offene Jugendarbeit. Das CJD übernahm eine zunehmend wichtige Rolle in der Förderung von Aussiedlerkindern und richtete spezielle Förderklassen ein, die bis in die frühen 2000er Jahre bestanden. Der Sport wurde ein zentraler Bestandteil des Jugenddorflebens: Trampolinturnerinnen und Volleyballer feierten nationale und internationale Erfolge.
Zehn Jahre nach seiner Gründung hatte sich das CJD zu einem Netzwerk mit 28 Jugenddörfern entwickelt. Rund 10.000 junge Menschen wurden erreicht. Mit der Eröffnung eines Wohnheims für Arbeiterinnen 1958 und der Etablierung des Marburger Jugendparlaments als Plattform politischer Bildung wurden weitere Impulse gesetzt. Bis heute ist das CJD ein bedeutender Träger sozialer und pädagogischer Angebote in Deutschland, dessen Fundament in den Aufbaujahren der Nachkriegszeit gelegt wurde.